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Bericht von den Dreharbeiten für "Im Auftrag des Drachen"
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Die Anfrage erreichte mich während meines Engagements bei den Luisenburg-Festspielen, in Wunsiedel, wo ich in drei Stücken spielte. Ich sollte mich Mitte Juli 1974 im Hotel „Vier Jahreszeiten“ in München mit dem Produzenten Bob La Sanka von der Universal und Jack Cosslyn, dem Dialogregisseur bei den Dreharbeiten, treffen. Das hieß, nach der Abendvorstellung drei Stunden mit dem Auto nach München, meiner damaligen Heimatstadt. Nach kurzem Gespräch - alles auf Englisch – ging es an die Arbeit. Ich musste versuchen, eine bestimmte Rolle zu spielen, während die beiden Herren mir die Stichworte gaben. Danach ging es wieder per Auto drei Stunden lang nach Wunsiedel. Mein Gefühl damals? Nichts Genaues weiß man. |
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Als ich gar nicht mehr damit rechnete, kam während einer Vorstellung ein Anruf von Bob La Sanka, der den Vertrag machen wollte, aber als Amerikaner nicht verstehen konnte, dass die
ZBF München, meine Agentur, nachts nicht erreichbar ist.
Da ich am nächsten Tag drei Vorstellungen hatte, konnte ich unmöglich nach München fahren, also ließ er sich dazu überreden, mit dem Zug nach Marktredwitz – dem nächsten Bahnhof von Wunsiedel aus – zu fahren. So wurde dann in einem Hotel-Restaurant neben dem Bahnhof ein Hollywoodvertrag geschlossen. Passiert auch nicht alle Tage. Später war Bob`s
Lieblingsspruch, wenn er mich sah: „I like Marktredwitz!“ Das klang mit dem amerikanischen Slang sehr komisch. Ich weiß allerdings nicht, ob es ihm während der Zugfahrt auch so komisch zumute war.
Nun ging es Schlag auf Schlag. Ich musste für meine Rollen Ersatz finden und den in Frage kommenden Kollegen klar machen, dass ich keine Hollywoodgage kriegen würde, denn dem Theater durften keine finanziellen Nachteile entstehen, ansonsten hätte man mich nicht aus dem Vertrag entlassen.
Eine Woche später begann dann das erforderliche Intensivtraining auf einer Kletterschule
am Genfer See. Abends in Wunsiedel meine letzte Vorstellung und danach mit dem Auto mit
kurzer Schlafpause bis morgens um 7 Uhr durchgefahren.
Dort erfuhr ich dann zum ersten Mal, warum das Ganze. Wir sollten so trainiert werden, dass wir richtig in die Eiger Nordwand einsteigen können. Und zwar auf Höhe der Station „Eigerwand“ der Jungfraubahn. Dort war ich vorher schon einmal und wusste, wie hoch das ist! Oha! Aber bloß nicht lange überlegen.
Es ging los. Nach ersten Versuchen in einem Steinbruch nach 3 Tagen die erste Steilwand bezwungen und jeden Tag etwas mehr Erfahrung gesammelt. Nach 14 Tagen ging’s dann zum Eiger. Ankunft im Hotel „Kleine Scheidegg,“ Kennenlernen mit Clint Eastwood, George Kennedy, Heidi Brühl, Vonetta Mc Gee, weiteren amerikanischen, deutschen und französischen Schauspielern, dem ganzen Team, Besprechungen und Eingewöhnen. Der mir schon bekannte Jack Cosslyn arbeitete mit uns die ersten Texte durch und die erste Nacht im Hotel unterhalb des „Eiger“ war spannend und kurz, denn um drei Uhr war sie vorbei.
Frühstück und Start um 4 Uhr mit dem Hubschrauber!!!! Ja, genau! In kompletter Bergsteigerausrüstung! Die Piloten von der Schweizer Flugrettung kannte ich zufällig von meinen vorherigen Dreharbeiten, es war eine herzliche Begrüßung. Auf Anweisung bestiegen Reiner Schöne, der deutsche Kollege, Clint und ich nacheinander die Maschine. Ich wunderte mich nur, dass auf meiner Seite keine Tür war und ich Füße auf die Kufen stellen sollte. Zusätzlich befestigte man an meinem „Geschirr“ das Seil der Winde. Den Grund erfuhr ich sehr schnell.
Über einem bestimmten Punkt in der Westflanke der Nordwand angekommen, blieb der Hubschrauber in der Luft stehen, und wir wurden nacheinander abgeseilt! Oh, wenn mir das vorher einer gesagt hätte!
Nun, es klappte. Wir wurden von einem Retter der Bergwacht in Empfang genommen. Das Wetter war ideal, die Sicht fantastisch. Man hatte das Gefühl, bis nach Afrika sehen zu können. Gegenüber das Silberhorn, auf dem James Bond schon Verbrecher gejagt hatte.
Wir drehten den ganzen Tag an einem monströsen Überhang. Unser Biwaklager war weit unten streichholzgroß zu sehen. Unsere Profibergsteiger hatten uns alles hervorragend vorbereitet, denn wir mussten uns abseilen, klettern, wieder abseilen, ich weiß nicht, wie oft. Nach getaner Arbeit hinaufklettern zum besagten Platz und Warten auf den Hubschrauber.
Einer nach dem anderen wurde 40 Meter hinaufgezogen, ich wieder als Letzter. An die fehlende Tür hatte ich mich schon gewöhnt. So flogen wir zum Landeplatz unterhalb des Hotels.
Ein aufregender, atemberaubender Tag lag hinter uns. Der Schlaf ließ nicht lange auf sich warten. Das war auch gut so, denn am nächsten Morgen um drei Uhr war „Aufstehn“ angesagt.
Der zweite Tag verlief wie der erste, nur dass die Kletterei schwieriger wurde. Und wieder war es aufregend.
Abends wieder die gleiche Prozedur mit dem Hubschrauber, nur eins war anders: Der Pilot ließ mich gar nicht erst in die Maschine kommen, sondern flog mit einem Affentempo Richtung Landeplatz. Dort stellte er mich, in der Luft stehend ab, und setze in einem Sicherheitsabstand neben mir auf. Ich muss gestehen, dass mir zwischendurch manchmal die Luft weg blieb.
Den Grund für diesen rasanten Flug erfuhr ich, während der Hubschrauber wieder startete, diesmal mit einem Arzt an Bord. Es hatte in der Wand einen Unfall gegeben. Was genau vorgefallen war, erfuhren wir kurze Zeit später: Einer unserer Kletterlehrer sollte meine Seile und Haken aus der Wand holen, während der Kameramann eine Totale mit der atemberau-benden Schweizer Bergwelt drehen wollte. Er hing dabei in der Nähe der Stelle, an der wir den ganzen Tag waren. Als die Kassette voll war, bat er um Ersatz und dabei löste ein weiterer Profibergsteiger versehentlich eine riesige Steinladung, von der unser Lehrer, sowie der Kameramann getroffen wurde. Anfangs hieß es noch, beide seien verletzt, aber als der Hubschrauber bis tief in die Nacht auf die Wand leuchtete und dann zurückkam, war es Gewissheit. Dave, unser sympathischer Kletterlehrer, war tot, und der Kameramann schwer verletzt. Ihn konnte man bergen, den Toten nicht.
Wir waren bestürzt. Auch Reinhold Messner und sein Kamerad Peter Habeler, die am Abend im Hotel eingetroffen waren und am nächsten Tag eine Direktbesteigung der Nordwand machen wollten. Es war wie ein Hammerschlag. Es hätte auch mich treffen können.
Ich konnte kaum schlafen. An frühen Morgen hörte ich den Hubschrauber und sah vorsichtig
zum Fenster hinaus. Es dauerte lange, bis er mit unseren Kameraden in einem Netz unter sich Richtung Grindelwald flog. Da musste ich doch ganz schön schlucken.
Alle standen unter Schock. Clint wollte die Dreharbeiten abbrechen, aber einen Tag später
war eine Abordnung der Universal zur Stelle und überredete Clint als Mitproduzent zum
Weitermachen.
An den ersten Tagen wurde im, und vor dem Hotel gedreht und wir hatten die Gelegenheit,
das Geschehene, so gut es ging, zu verarbeiten. Nach drei Tagen machten wir wieder leichtere Kletterübungen. Inzwischen hatte man einen Sicherheits-Experten für Bergsteigerei aus Schottland geholt, der ausschließlich helfen sollte Unfälle zu vermeiden. Er war ein echtes Urgestein, hatte allerdings an seinem rechten Schienbein eine mit 40 Schrauben befestigte
Platte, die Folge eines Sturzes.
Trotzdem versprühte er ein Selbstbewusstsein, das nicht zu überbieten war.
So langsam ging es wieder in den Berg. Die Drehorte wurden immer erst auf Gefahren hin untersucht, bevor wir ihn betreten durften. Uns war allerdings klar, dass man nicht ausschließen konnte. Wir erlebten von nun an alles noch bewusster, und gerieten manchmal in Situationen, die das Blut in uns stocken ließen. Zum Beispiel waren wir auf einem Eisfeld, trotz strahlenden Sonnenscheins, innerhalb von Minuten von dichtem Nebel eingehüllt, wissend, dass es nicht allzu weit unten tausend Meter senkrecht in den Abgrund ging. Ein kanadischer Kletterprofi baute innerhalb kürzester Zeit einen Iglu, in dem wir alle Platz hatten, und kochte uns eine Apfelsinensuppe, und schon ging es uns besser. Der Tag war gerettet, denn bald war der Nebel verschwunden. Reiner und ich konnten dann unseren Absturz drehen, unsere letzte Szene in dem Film, nicht der letzte Drehtag.
Alles war vorbereitet, man hatte uns mit unsichtbaren Seilen verbunden, und auf Kommando ging es abwärts. Es waren endlose Sekunden, bis wir endlich von den Seilen aufgehalten wurden, denn der Abgrund kam rasant näher. Angst hatte ich jedoch nicht – glaube ich zumindest. Wir waren ein verschworenes Team.
Manchmal hatten wir auch fast komische Erlebnisse. Wir waren wie immer mit einem kleinen Team unterwegs, diesmal an einem stufenförmigen Wandabschnitt, und wurden wie immer darauf aufmerksam gemacht, uns beim Ruf „Rocks!“ sofort mit dem Gesicht nach vorn an die Wand zu drücken. Unser Tonmeister, ein „Möchtegern-Charlton Heston“, mit nacktem Oberkörper, guckte stattdessen nach oben, und ich konnte aus dem Blickwinkel sehen, dass ein kleiner Stein mit ungeheurer Geschwindigkeit direkt in seinen offenen Mund flog. Es folgte ein kurzer Schrei und: „My Bridge, my bridge is gone!“ Natürlich leicht zahnlos klingend. Wir halfen bei der Suche, und tatsächlich fand er das Teil und war glücklich. Er vermied es allerdings zu sprechen, seine Eitelkeit war doch hinderlich. Er musste erst stundenlang mit der Bahn nach Interlaken, um sich wieder auf Vordermann bringen zu lassen.
Trotz aller Anstrengungen war die Stimmung im Team immer außerordentlich gut. Es wurde jede Gelegenheit genutzt, um Spaß zu haben.
So hat unser Sicherheitsexperte David einmal absichtlich die ständig auf der Kleinen Scheidegg eintreffenden Touristen geschockt. Immer wenn der Rettungshubschrauber im Anflug ist, rechnen sie mit einer dramatischen Rettung. Als dieser nun irgendwann mit den Puppen, die
für Reiner und mich letztendlich in die Tiefe stürzten, in Netzen herangeflogen wurden, dachten Hunderte von Touristen, es handele sich um echte Bergsteiger, sie sahen ja auch sehr echt aus. Als David dann einen Arm von einer der Puppen hoch nahm und anfing mit einem
Fuchsschwanz daran zu sägen, war der Teufel los, während David sich das Lachen nicht verkneifen konnte. Wir allerdings auch nicht, auch wenn es recht makaber war.
Nachdem unser französischer Kollege Jean Pierre Bernard laut Drehbuch an Erschöpfung umgekommen war, mussten Clint, Reiner und ich tagelang ein „Dummy“ mitschleppen.
Es war ein riesiges Bündel in Menschengröße, das immer schwerer wurde, denn es regnete zwischendurch. Als es ausgedient hatte, wurde es im Hotel im Reqisitenraum abgelegt. Pierre
musste aber solange bleiben. Zum Abschied haben wir dann die völlig durchnässte Puppe in
Pierres Bett gelegt, denn er wurde von seiner Lebensgefährtin abgeholt und verbrachte mit Ihr und uns noch einen vergnüglichen Abend, der seinen Höhepunkt fand, als er mit seiner „Dame“ aufs Zimmer kam. Er ahnte schon, wer der „Übeltäter“ war, denn plötzlich lag das Bündel in meinem Bett, und ich zog es dann auf den Gang, und dort fielen dann in der Nacht noch einige drüber. Es war lustiger Abschied für Jean Pierre. Die Dreharbeiten waren alles in allem sicher ein Höhepunkt in meiner beruflichen Laufbahn.
10 Monate später war in Hollywood dann der krönende Abschluss, als ich zur Premiere des Filmes dort war. Ich lernte viele maßgebliche Persönlichkeiten kenne, musste aber einsehen,
dass es viel Geduld erfordert, dort Fuß zu fassen. Ich hätte für eine, tatsächlich in Aussicht gestellte Rolle, mindestens sechs Wochen warten müssen, bis die Network oder die Union entschieden hätten, warum kein Amerikaner die Rolle spielen könnte. Ich wiederum musste mich entscheiden, ob ich eine hohe Konventionalstrafe bei den Kreuzgangspielen Feuchtwangen riskiere, wo ich einen Vertrag für drei große Rollen direkt im Anschluss hatte, und am Ende in Amerika doch mit leeren Händen da stehen würde. Es war mir ehrlich gesagt, zu unsicher. Vielleicht war es mein größter Fehler, wer weiß?
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